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Biomasseverordnung (BiomasseV)

Die Biomasseverordnung (BiomasseV) ist ein zentrales Regelwerk, das die energetische Nutzung von Biomasse in Deutschland regelt. Sie präzisiert, welche Stoffe als Biomasse gelten, welche Verfahren zulässig sind und welche Umweltstandards eingehalten werden müssen, um Förderungen im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu erhalten. Durch ihre konkrete Ausgestaltung hat die BiomasseV maßgeblich zur Verbreitung erneuerbarer Energien im Wärmesektor beigetragen, gleichzeitig aber auch Herausforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Emissionen und Ressourcennutzung aufgeworfen.


I. Rechtliche Grundlagen und Bedeutung

Die BiomasseV wurde erstmals 2001 als Ergänzung des EEG eingeführt und bildet dessen technische Grundlage für die Förderung von Strom aus Biomasse. Sie setzt EU-Richtlinien wie die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II, 2018/2001/EU) um und dient dazu:

  1. Die Definition von Biomasse zu standardisieren.
  2. Die technische und ökologische Qualität der Biomasse-Nutzung sicherzustellen.
  3. Den Einsatz von Biomasse als nachhaltige Energiequelle zu fördern.

Die Verordnung verfolgt auch das Ziel, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verbinden, indem sie den Rahmen für eine ressourceneffiziente Nutzung von Biomasse schafft.


II. Detaillierte Definition von Biomasse

Die Verordnung stellt klar, welche Stoffe als Biomasse gelten, um eine zielgerichtete Förderung und ökologische Sicherheit zu gewährleisten. Sie unterscheidet zwischen:

1. Pflanzlichen Stoffen

  • Primärstoffe:
    • Holz: Einschließlich Waldrestholz, Industrieholz und Sägewerksabfällen.
    • Agrarstoffe: Getreidestroh, Mais, Gras oder andere landwirtschaftliche Erzeugnisse.
  • Reststoffe:
    • Rückstände aus der Verarbeitung von Lebensmitteln, wie Schalen oder Spelzen.
    • Abfälle aus der Holzverarbeitung, z. B. Sägemehl.

2. Tierischen Stoffen

  • Gülle und Mist, die in Biogasanlagen genutzt werden können.
  • Schlachtabfälle und tierische Fette, sofern sie den Anforderungen der Verordnung entsprechen.

3. Organischen Reststoffen und Abfällen

  • Bioabfälle, sofern sie getrennt gesammelt und aufbereitet werden.
  • Klärschlamm, unter strengen Vorgaben zur Schadstofffreiheit.

4. Ausdrücklicher Ausschluss

  • Gefährliche Stoffe, wie imprägniertes oder behandeltes Altholz.
  • Fossile Brennstoffe, auch wenn sie aus organischem Ursprung stammen (z. B. Kohle).

III. Zulässige Verfahren zur Biomasse-Nutzung

Die Verordnung beschreibt spezifische Verfahren, die zur energetischen Nutzung von Biomasse eingesetzt werden dürfen (§ 3 BiomasseV). Diese Verfahren müssen effizient und umweltgerecht sein.

1. Verbrennung

  • Direkte Verbrennung von Biomasse, z. B. in Holzheizkraftwerken.
  • Anwendung vor allem bei fester Biomasse wie Holz oder Stroh.

2. Vergasung

  • Umwandlung von fester Biomasse in ein brennbares Gasgemisch, das in Gasmotoren oder Gasturbinen genutzt werden kann.

3. Pyrolyse

  • Zersetzung von Biomasse bei hohen Temperaturen ohne Sauerstoffzufuhr. Das Endprodukt (z. B. Biokohle) kann energetisch genutzt werden.

4. Vergärung (Biogas)

  • Mikroorganismen wandeln organisches Material wie Gülle oder Mais in Biogas um. Dieses kann direkt verstromt oder zu Biomethan aufbereitet werden.

IV. Nachhaltigkeitsanforderungen

Ein zentraler Punkt der BiomasseV sind die Umweltstandards, die sicherstellen, dass Biomasse nachhaltig genutzt wird. Dazu gehören:

1. Emissionsgrenzwerte

  • Grenzwerte für Feinstaub, CO₂ und andere Schadstoffe bei der Verbrennung von Biomasse.
  • Vorgaben basieren auf der 13. und 17. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV), die insbesondere für größere Anlagen gelten.

2. Nachhaltige Forst- und Landwirtschaft

  • Holz muss aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen (z. B. PEFC- oder FSC-Zertifizierung).
  • Agrarprodukte dürfen nicht aus Monokulturen oder zerstörten Naturschutzgebieten stammen.

3. Kaskadennutzung

  • Höherwertige Nutzungen von Biomasse, z. B. als Baumaterial oder in der Papierproduktion, haben Vorrang vor der energetischen Nutzung.

4. Treibhausgas-Einsparungen

  • Ab 2021 müssen Anlagen nachweisen, dass die Nutzung von Biomasse mindestens 65 % weniger Treibhausgase verursacht als fossile Brennstoffe (gemäß RED II).

V. Förderung und EEG-Vergütung

Die BiomasseV regelt indirekt die Voraussetzungen für die Förderung von Strom und Wärme aus Biomasse im Rahmen des EEG. Förderfähig sind nur:

  • Anlagen, die die technischen Vorgaben der BiomasseV erfüllen.
  • Anlagen, die die Nachhaltigkeitskriterien einhalten (z. B. Herkunftsnachweise für genutztes Holz oder Biogas).

Die Vergütung erfolgt nach festen EEG-Vergütungssätzen oder über Ausschreibungen, die seit 2017 für größere Biomasseanlagen Pflicht sind.


VI. Herausforderungen bei der Umsetzung

1. Konkurrenz um Biomasse

  • Biomasse wird auch in anderen Industrien (z. B. Bau, Chemie) benötigt. Dies führt zu Konflikten, da die Ressourcen begrenzt sind.

2. Umweltprobleme

  • Intensive Landwirtschaft für Biogas (z. B. Maismonokulturen) kann negative Folgen für Boden, Wasser und Biodiversität haben.
  • Verbrennung von Biomasse kann Feinstaub- und Stickoxidbelastungen verursachen.

3. Wirtschaftliche Hürden

  • Höhere Kosten für nachhaltige Biomasse erschweren die Wirtschaftlichkeit, insbesondere in kleinen Anlagen.
  • Strengere Nachhaltigkeitsvorgaben (z. B. RED II) erhöhen den bürokratischen Aufwand.

VII. Praxisbeispiele

  1. Holzheizkraftwerk:
    • Ein Kraftwerk nutzt Waldrestholz zur Strom- und Wärmeerzeugung. Die Anlage erfüllt die BiomasseV, da das Holz nachhaltig zertifiziert ist und die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden.
  2. Biogasanlage in der Landwirtschaft:
    • Eine Biogasanlage vergärt Gülle und Silomais. Der Betreiber weist nach, dass die Anlage eine Treibhausgaseinsparung von 70 % gegenüber fossilen Brennstoffen erreicht.
  3. Klärschlammverbrennung:
    • Eine Anlage nutzt Klärschlamm aus einer kommunalen Kläranlage. Die Schadstofffreiheit wird regelmäßig geprüft, um die Anforderungen der BiomasseV zu erfüllen.

VIII. Rechtsprechung zur BiomasseV

1. Biogasanlagen und Nachhaltigkeitskriterien

  • BVerwG, Urt. v. 28. Mai 2019 – 7 C 15.18
    Eine Biogasanlage wurde von der EEG-Vergütung ausgeschlossen, da der Betreiber nicht nachweisen konnte, dass die genutzte Biomasse aus nachhaltiger Produktion stammte.

2. Verwendung von Altholz

  • OVG NRW, Beschl. v. 18. Januar 2020 – 8 A 376/19
    Die Nutzung von behandeltem Altholz in einer Biomasseanlage wurde untersagt, da es nicht den Anforderungen der BiomasseV entsprach.

IX. Zukunftsperspektiven

  1. Strengere Vorgaben durch EU-Richtlinien
    • Die RED II (Erneuerbare-Energien-Richtlinie) führt ab 2023 noch striktere Nachhaltigkeitsanforderungen ein, insbesondere für Importe von Biomasse.
  2. Technologische Innovation
    • Neue Verfahren wie die Hydrothermale Karbonisierung (HTC) könnten die Biomasseverwertung effizienter und umweltfreundlicher machen.
  3. Fokus auf Reststoffe
    • Zukünftig wird die Verwertung von Rest- und Abfallstoffen priorisiert, um die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu minimieren.

X. Biomasseverordnung

Die BiomasseV hat einen klaren rechtlichen Rahmen für die energetische Nutzung von Biomasse geschaffen und die Energiewende im Bereich der erneuerbaren Energien entscheidend vorangebracht. Trotz Herausforderungen, insbesondere bei Nachhaltigkeit und Ressourcenkonflikten, bleibt Biomasse eine unverzichtbare Komponente der deutschen Klimapolitik. Künftige Entwicklungen werden zeigen, wie die Nutzung weiter optimiert und nachhaltiger gestaltet werden kann.