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Cross-Border Power Purchase Agreement (PPA):

Ein Cross-Border Power Purchase Agreement (PPA) ist ein grenzüberschreitender Stromabnahmevertrag, der den Handel von Strom über Ländergrenzen hinweg regelt. Diese PPAs sind besonders relevant für Unternehmen, die erneuerbare Energiequellen in anderen Ländern nutzen möchten, um ihre CO₂-Bilanz zu verbessern.


Mustervertrag Cross-Border PPA

1. Vertragsparteien

  1. Stromerzeuger (Verkäufer):
    ABC Renewables GmbH, Windparkstraße 10, 12345 Energiehausen, Deutschland
    Vertreten durch den Geschäftsführer, Max Mustermann.
  2. Stromabnehmer (Käufer):
    XYZ Industries AG, Hauptstraße 20, 54321 Energieville, Frankreich
    Vertreten durch die Vorstandsvorsitzende, Lisa Beispiel.

2. Präambel

  • Ziel dieses Vertrags ist die Lieferung von Strom aus einer erneuerbaren Energiequelle in Deutschland an einen Abnehmer in Frankreich, einschließlich der physischen oder virtuellen Bereitstellung von Strom und zugehörigen Herkunftsnachweisen.
  • Der Vertrag berücksichtigt nationale rechtliche Vorgaben (EEG, RED II) sowie europäische Vorschriften.

3. Vertragsgegenstand

  1. Liefergegenstand:
    • Der Verkäufer verpflichtet sich, Strom aus einem Windpark in Deutschland zu erzeugen und an den Käufer in Frankreich zu liefern oder virtuell bereitzustellen.
    • Die Lieferung umfasst:
      • Physische Lieferung: Elektrizität über das europäische Verbundnetz.
      • Virtuelle Lieferung: Zertifizierte Herkunftsnachweise (Guarantees of Origin, GO).
  2. Anlage und Standort:
    • Die Lieferung erfolgt aus dem Windpark „Energiehausen“, Kapazität: 50 MW.
  3. Vertragslaufzeit:
    • Beginn: 01.01.2025
    • Dauer: 15 Jahre.

Alternative Klauseln:

  • Option A (Physische Lieferung): Der Strom wird physisch über grenzüberschreitende Übertragungsleitungen geliefert.
  • Option B (Virtuelle Lieferung): Der Strom bleibt in Deutschland, und nur die Herkunftsnachweise werden übertragen.

4. Liefermengen und Abnahme

  1. Verpflichtende Liefermengen:
    • Garantierte Jahresmenge: 150 GWh.
    • Toleranzgrenze: ±10 %.
  2. Abnahmepflichten:
    • Der Käufer verpflichtet sich, die garantierte Jahresmenge abzunehmen.
  3. Übergabepunkt:
    • Physische Lieferung: Übergabepunkt am Knotenpunkt des europäischen Übertragungsnetzes (z. B. TenneT zu RTE).
    • Virtuelle Lieferung: Registrierung der Herkunftsnachweise im gemeinsamen Register (z. B. AIB-GO).

5. Preisgestaltung

  1. Vergütungsmodell:
    • Fixpreis-Modell: Der Käufer zahlt 70 €/MWh für die vereinbarte Strommenge.
    • Zusätzliche Vergütung: Herkunftsnachweise zu 2 €/MWh.
  2. Preisanpassung:
    • Der Preis ist indexiert und wird jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst.
  3. Währungsregelung:
    • Der Vertragspreis wird in Euro (€) festgelegt.
    • Zahlungsunterschiede durch Wechselkursrisiken trägt der Käufer.

6. Abrechnung und Zahlung

  1. Rechnungsstellung:
    • Der Verkäufer stellt monatlich eine Rechnung über die gelieferte Menge aus.
  2. Zahlungsfrist:
    • Zahlungen sind innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungserhalt fällig.
  3. Verzugszinsen:
    • Bei Zahlungsverzug gelten Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem EURIBOR.

7. Herkunftsnachweise und Compliance

  1. Zertifizierung:
    • Der Verkäufer stellt sicher, dass die erzeugte Energie durch Herkunftsnachweise gemäß RED II (EU-Richtlinie 2018/2001) zertifiziert ist.
  2. Registrierung:
    • Herkunftsnachweise werden im gemeinsamen Register der AIB (Association of Issuing Bodies) eingetragen und auf den Käufer übertragen.
  3. Nachhaltigkeitsanforderungen:
    • Der Verkäufer garantiert, dass die Energie den Kriterien der Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU entspricht.

8. Technische Anforderungen und Netzregelungen

  1. Netzanbindung:
    • Der Verkäufer sorgt für den Netzanschluss seiner Anlage und die Einhaltung der Technischen Anschlussbedingungen (TAB) des Netzbetreibers.
  2. Netzverluste:
    • Netzverluste bis zum Übergabepunkt trägt der Verkäufer.
  3. Netzentgelte:
    • Grenzüberschreitende Netzentgelte werden nach europäischem Recht aufgeteilt.

9. Haftung und Gewährleistung

  1. Haftung des Verkäufers:
    • Haftung für direkte Schäden bis zu einem Höchstbetrag von 5 Mio. € pro Jahr.
    • Keine Haftung für indirekte Schäden oder entgangene Gewinne, außer bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
  2. Haftung des Käufers:
    • Der Käufer haftet für die fristgerechte Zahlung und die Einhaltung der Abnahmepflichten.
  3. Force Majeure:
    • Keine Haftung bei höherer Gewalt, wie Naturkatastrophen, Krieg oder Netzstörungen.

10. Streitbeilegung

  1. Schlichtung:
    • Streitigkeiten werden zunächst durch Mediation vor einer neutralen Schlichtungsstelle geregelt.
  2. Schiedsgericht:
    • Streitigkeiten, die nicht beigelegt werden können, werden durch ein Schiedsgericht gemäß den Regeln der ICC (International Chamber of Commerce) entschieden.
  3. Gerichtsstand:
    • Für nationale Streitigkeiten: Gerichtsstand ist der Sitz des Verkäufers.
    • Für internationale Streitigkeiten: Anwendung der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit.

11. Datenschutz und Vertraulichkeit

  1. Datenschutz:
    • Beide Parteien verpflichten sich zur Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
  2. Vertraulichkeit:
    • Alle Informationen, die im Rahmen des Vertrags ausgetauscht werden, sind vertraulich zu behandeln.

12. Schlussbestimmungen

  1. Änderungen und Ergänzungen:
    • Änderungen des Vertrags bedürfen der Schriftform.
  2. Salvatorische Klausel:
    • Sollte eine Bestimmung des Vertrags unwirksam sein, bleiben die übrigen Bestimmungen unberührt.
  3. Sprachversionen:
    • Der Vertrag wird in deutscher und französischer Sprache erstellt; im Streitfall ist die deutsche Version maßgeblich.

Vertragsalternativen

  1. Physischer Cross-Border PPA:
    • Strom wird physisch über das europäische Verbundnetz geliefert.
    • Höhere Komplexität aufgrund von Netzentgelten, technischen Anforderungen und Regulierung.
  2. Virtueller Cross-Border PPA:
    • Der Strom bleibt im Ursprungsland, und der Käufer erhält lediglich Herkunftsnachweise.
    • Einfachere Abwicklung, ideal für Unternehmen mit dezentralen Energiebedarfen.
  3. Hybrid-PPA:
    • Kombination aus physischer Lieferung und finanzieller Absicherung (z. B. Preisfixierung durch Differenzverträge).

Insgeamt

Ein Cross-Border Power Purchase Agreement erfordert eine sorgfältige Vertragsgestaltung, die grenzüberschreitende technische, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Wichtige Punkte sind die Berücksichtigung nationaler und europäischer Vorschriften, die Absicherung gegen Währungs- und Wechselkursrisiken sowie die transparente Abwicklung von Herkunftsnachweisen. Energierechtler spielen eine entscheidende Rolle bei der Erstellung und Verhandlung solcher Verträge, um Risiken zu minimieren und den rechtlichen Rahmen abzusichern.