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Energiesteuerrecht und Stromsteuerrecht

Das Energiesteuerrecht und das Stromsteuerrecht bilden zentrale Bestandteile des deutschen Steuerrechts im Energiesektor. Sie regulieren die Erhebung von Steuern auf Energieträger sowie auf die Erzeugung und Nutzung von Strom. Ziel dieser Steuergesetze ist es, einerseits Einnahmen für den Staat zu generieren, andererseits energiepolitische und umweltpolitische Ziele, wie die Förderung von Energieeffizienz und den Klimaschutz, zu unterstützen.


1. Energiesteuerrecht

1.1 Rechtsgrundlage

Das Energiesteuerrecht wird durch das Energiesteuergesetz (EnergieStG) geregelt. Es basiert auf europarechtlichen Vorgaben, insbesondere der Energiesteuerrichtlinie (2003/96/EG), die Mindeststeuersätze und Anwendungsbereiche für Energieerzeugnisse in der EU festlegt.


1.2 Besteuerungsgegenstand

Gemäß § 2 EnergieStG unterliegt die Verwendung folgender Energieerzeugnisse der Energiesteuer:

  • Mineralöle: Benzin, Diesel, Heizöl.
  • Gasförmige Energieerzeugnisse: Erdgas, Flüssiggas.
  • Kohlenstoffhaltige Feststoffe: Kohle, Koks.
  • Biokraftstoffe und andere regenerative Energieträger, sofern sie fossile Brennstoffe ersetzen.

1.3 Steuerpflicht

  • Steuerschuldner (§ 7 EnergieStG):
    • Hersteller und Händler von Energieerzeugnissen.
    • Importeure von Energieerzeugnissen.
  • Steuerentstehung (§ 8 EnergieStG):
    • Entstehung der Steuer beim Inverkehrbringen von Energieerzeugnissen, z. B. bei Lieferung an Endkunden oder Eigenverbrauch.

1.4 Steuerhöhe

Die Steuersätze für Energieerzeugnisse sind in § 2 Abs. 3 EnergieStG festgelegt. Beispiele:

  • Diesel: 47,04 Cent/Liter.
  • Benzin: 65,45 Cent/Liter.
  • Erdgas: 5,50 Euro/MWh.
  • Heizöl: 6,14 Cent/Liter.

1.5 Steuerbefreiungen und Ermäßigungen

Das EnergieStG sieht zahlreiche Steuerbefreiungen und -ermäßigungen vor:

  1. Steuerbefreiungen (§ 25 EnergieStG):
    • Energieerzeugnisse, die zur Stromerzeugung verwendet werden.
    • Energieerzeugnisse, die in chemischen Verfahren eingesetzt werden.
  2. Steuerermäßigungen (§§ 53–54 EnergieStG):
    • Ermäßigungen für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder der Landwirtschaft.
    • Reduzierte Steuersätze für Biokraftstoffe.

1.6 Besonderheiten für Biokraftstoffe

  • Förderung regenerativer Energien durch Steuervergünstigungen (§ 50 EnergieStG).
  • Pflicht zur Anrechnung von Biokraftstoffen auf die Treibhausgasminderungsquote.

1.7 Zweck des EnergieStG

Das Energiesteuergesetz verfolgt zwei Hauptziele:

  1. Einnahmeerzielung: Generierung von Steuereinnahmen für den Staatshaushalt.
  2. Klimapolitik: Anreize zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Brennstoffe und Förderung nachhaltiger Alternativen.

2. Stromsteuerrecht

2.1 Rechtsgrundlage

Das Stromsteuerrecht wird durch das Stromsteuergesetz (StromStG) geregelt. Es basiert ebenfalls auf der Energiesteuerrichtlinie (2003/96/EG).


2.2 Besteuerungsgegenstand

Gemäß § 1 StromStG unterliegt die Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz der Stromsteuer.

2.3 Steuerpflicht

  • Steuerschuldner (§ 5 StromStG):
    • Stromlieferanten, die Strom an Endverbraucher liefern.
    • Selbstversorger, die Strom für den Eigenverbrauch erzeugen.
  • Steuerentstehung (§ 7 StromStG):
    • Die Steuer entsteht bei der Entnahme von Strom aus dem Netz oder bei der Eigenversorgung.

2.4 Steuerhöhe

  • Der allgemeine Steuersatz beträgt gemäß § 3 StromStG 2,05 Cent/kWh.
  • Besondere Steuersätze oder Steuerbefreiungen können für energieintensive Unternehmen oder bestimmte Stromarten gelten.

2.5 Steuerbefreiungen und Ermäßigungen

  • Steuerbefreiungen (§ 9 StromStG):
    • Strom aus erneuerbaren Energien (z. B. Solarenergie, Windkraft).
    • Strom, der in hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erzeugt wird.
    • Strom, der in kleinen Anlagen (bis 2 MW) erzeugt und direkt vor Ort genutzt wird.
  • Steuerermäßigungen (§ 10 StromStG):
    • Für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, die einen bestimmten Stromverbrauch überschreiten.
    • Entlastung für energieintensive Unternehmen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

2.6 Besonderheiten der Eigenversorgung

  • Strom, der für den Eigenbedarf erzeugt und genutzt wird, ist in bestimmten Fällen steuerbefreit, z. B. bei Kleinanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG).

2.7 Zweck des StromStG

  • Fiskalischer Zweck: Generierung von Einnahmen durch die Besteuerung von Strom.
  • Lenkungszweck: Förderung der Energieeffizienz und nachhaltiger Stromerzeugung.

3. Verhältnis von Energie- und Stromsteuerrecht

Das EnergieStG und das StromStG ergänzen sich, indem sie unterschiedliche Bereiche des Energiemarkts regulieren:

  • Das EnergieStG konzentriert sich auf Brennstoffe und Energieerzeugnisse.
  • Das StromStG regelt die Besteuerung von elektrischem Strom.

Beide Gesetze verfolgen jedoch ähnliche umwelt- und klimapolitische Ziele.


4. Europarechtliche Grundlagen

  • Energiesteuerrichtlinie (2003/96/EG):
    • Legt Mindeststeuersätze für Energieerzeugnisse und Strom fest.
    • Gibt den Mitgliedstaaten Flexibilität bei der Gestaltung nationaler Steuersätze und Steuervergünstigungen.
  • Green Deal und EU-Klimapolitik:
    • Zukünftige Reformen der Energiesteuerrichtlinie, um fossile Brennstoffe höher zu besteuern und erneuerbare Energien stärker zu fördern.

5. Relevante Rechtsprechung

  1. EuGH, Urteil vom 07.03.2013, Az. C-588/10:
    • Klärung der Vereinbarkeit nationaler Steuerbefreiungen mit der Energiesteuerrichtlinie.
  2. BVerwG, Urteil vom 18.10.2016, Az. 9 C 3.16:
    • Anforderungen an die Steuerbefreiung für Eigenverbrauch im Rahmen des StromStG.
  3. BVerfG, Beschluss vom 24.07.2017, Az. 2 BvR 823/15:
    • Prüfung der Stromsteuer auf Vereinbarkeit mit Grundrechten und Umweltzielen.

6. Herausforderungen und Kritik

6.1 Belastung der Verbraucher

  • Sowohl die Energie- als auch die Stromsteuer tragen erheblich zu den Energiekosten bei und belasten Verbraucher sowie Unternehmen.

6.2 Komplexität der Regelungen

  • Die Vielzahl an Steuerbefreiungen und Ermäßigungen führt zu administrativem Aufwand und Unklarheiten.

6.3 Klimapolitische Zielkonflikte

  • Trotz der Lenkungswirkung zugunsten erneuerbarer Energien bleiben fossile Brennstoffe steuerlich subventioniert (z. B. reduzierte Steuersätze für Diesel).

7. Zukunftsperspektiven

7.1 Reform des Energiesteuerrechts

  • Einführung höherer Steuersätze für fossile Energieträger, um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren.
  • Bessere Förderung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen.

7.2 Anpassung an EU-Vorgaben

  • Integration neuer Mindeststeuersätze aus der überarbeiteten Energiesteuerrichtlinie.
  • Harmonisierung der Steuerbefreiungen und -ermäßigungen auf EU-Ebene.

7.3 Digitalisierung

  • Einsatz digitaler Plattformen zur besseren Überwachung und Verwaltung von Steuerbefreiungen und -ermäßigungen.

8. Beratungsansätze für Energierechtler

8.1 Steueroptimierung

  • Prüfung und Nutzung von Steuerbefreiungen und -ermäßigungen für Unternehmen und Privatpersonen.
  • Beratung zu energieeffizienten Technologien und deren steuerlichen Vorteilen.

8.2 Konfliktlösung

  • Vertretung in Streitigkeiten mit Finanzbehörden über Steuerzahlungen oder Befreiungsansprüche.

8.3 Vertragsgestaltung

  • Unterstützung bei der Ausgestaltung steuerrechtlich optimierter Energie- und Stromlieferverträge.

Fazit

Das Energiesteuer- und Stromsteuerrecht sind zentrale Instrumente der Energie- und Klimapolitik. Sie bieten zahlreiche Möglichkeiten für Steuerentlastungen und Förderung nachhaltiger Energiequellen, sind jedoch komplex und erfordern fundierte Expertise. Horak Rechtsanwälte/Patentanwälte stehen Unternehmen, Verbrauchern und Behörden als kompetente Partner zur Seite, um rechtssichere Lösungen und steuerliche Vorteile zu realisieren.