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Konzessionsrecht

Das Konzessionsrecht ist ein zentraler Baustein des Energierechts, der die Nutzung öffentlicher Wege durch Energieversorgungsunternehmen (EVU) für den Betrieb von Strom- und Gasnetzen regelt. Es hat weitreichende rechtliche, wirtschaftliche und politische Implikationen, die sowohl das Energierecht als auch das Kommunalrecht betreffen. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen,


1. Grundlagen des Konzessionsrechts

Das Konzessionsrecht basiert auf dem Grundsatz, dass öffentliche Wege im Eigentum der Kommunen stehen und deren Nutzung durch private Unternehmen einer vertraglichen Vereinbarung bedarf. Es regelt die Bedingungen, unter denen EVU öffentliche Wege nutzen dürfen, um Versorgungsnetze zu betreiben.

1.1 Zielsetzung

  • Sicherstellung der Daseinsvorsorge im Bereich Energieversorgung.
  • Ermöglichung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs um Wegekonzessionen.
  • Wahrung kommunaler Interessen, insbesondere der Einflussnahme auf die Energieversorgung vor Ort.

1.2 Begriff der Wegekonzession

  • Die Wegekonzession ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der EVU das Recht einräumt, öffentliche Wege für den Bau und Betrieb von Leitungen zu nutzen.
  • Sie ist rechtlich an den Konzessionsvertrag gebunden, der die Einzelheiten regelt.

1.3 Konzessionsverträge

  • Geregelt in § 46 EnWG.
  • Standardlaufzeit: 20 Jahre.
  • Inhalt:
    • Nutzungsrechte und -pflichten.
    • Festlegung der Konzessionsabgaben.
    • Anforderungen an den Netzbetrieb (z. B. Versorgungssicherheit, technische Standards).

2. Rechtsgrundlagen des Konzessionsrechts

Das Konzessionsrecht ist sowohl im Energiewirtschaftsrecht als auch im Kommunalrecht und Wettbewerbsrecht verankert.

2.1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

  • § 46 EnWG:
    • Regelt die Vergabe der Wegekonzessionen. Die Vergabe erfolgt diskriminierungsfrei, transparent und unter Berücksichtigung des Gemeinwohls.
    • Verpflichtung der Kommunen, das Verfahren öffentlich auszuschreiben.
  • § 47 EnWG:
    • Übergangsregelungen bei Ablösung alter Netzbetreiber.
    • Klärung der Übertragung des Netzeigentums.
  • § 48 EnWG:
    • Transparenzpflichten der Netzbetreiber und Kommunen.
    • Offenlegung der wirtschaftlichen und technischen Netzdaten.

2.2 Konzessionsabgabenverordnung (KAV)

  • Regelt die zulässigen Konzessionsabgaben, die ein EVU an die Kommune zahlt.
  • Abgabenhöhe ist abhängig von der Gemeindegröße und der Art der Versorgung (Strom oder Gas).
  • Verbot überhöhter Abgaben, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

2.3 Kommunalrecht

  • Befugnisse der Kommunen zur Vergabe von Wegenutzungsrechten.
  • Verpflichtung zur Berücksichtigung des Gemeinwohls (§ 86 GO NRW, § 121 GO BW etc.).
  • Grenzen der Entscheidungsfreiheit der Kommunen durch Wettbewerbsrecht.

2.4 Wettbewerbs- und Vergaberecht

  • Kartellrecht: Art. 101 AEUV und §§ 19, 20 GWB verhindern marktbeherrschende Praktiken und Diskriminierung.
  • Vergaberecht: EU-Vergaberichtlinien finden bei der Vergabe von Wegenutzungsrechten Anwendung, insbesondere wenn ein Netzbetrieb in Verbindung mit öffentlichen Dienstleistungen vergeben wird.

3. Verfahren der Konzessionsvergabe

Die Vergabe von Wegekonzessionen ist ein formalisiertes Verfahren, das durch Transparenz und Nichtdiskriminierung gekennzeichnet ist.

3.1 Ablauf der Konzessionsvergabe

  1. Öffentliche Ausschreibung:
    • Verpflichtung zur Bekanntmachung der Vergabe (§ 46 EnWG).
    • Veröffentlichung relevanter Informationen über das bestehende Netz und die Bedingungen.
  2. Prüfung der Angebote:
    • Kriterien: Technische Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche Zuverlässigkeit und Konzessionsabgabe.
    • Berücksichtigung der Gemeinwohlinteressen (z. B. Förderung von erneuerbaren Energien, soziale Aspekte).
  3. Zuschlag und Vertragsschluss:
    • Vergabeentscheidung muss sachlich begründet sein.
    • Abschluss des Konzessionsvertrags zwischen der Kommune und dem erfolgreichen Bieter.

3.2 Herausforderungen im Vergabeverfahren

  • Transparenz: Vollständige Offenlegung der Netzstruktur und der Bewertungsmaßstäbe.
  • Netzüberlassung: Der scheidende Netzbetreiber ist verpflichtet, sein Netz an den neuen Konzessionsnehmer zu übergeben (§ 46 EnWG).
  • Wettbewerbskonflikte: Kommunale Eigenbetriebe oder Stadtwerke treten häufig in Konkurrenz zu privaten EVU.

4. Netzüberlassung und Entflechtung

Die Netzüberlassung bei Wechsel des Konzessionsträgers ist eines der zentralen Probleme im Konzessionsrecht.

4.1 Ablösung alter Netzbetreiber

  • Der bisherige Netzbetreiber ist verpflichtet, das bestehende Netz zu fairen Bedingungen an den neuen Konzessionsträger zu übergeben.
  • Bewertung des Netzes erfolgt nach dem Sachzeitwertprinzip.

4.2 Streitigkeiten über die Netzübernahme

  • Häufig entstehen Konflikte über die Bewertung und Entschädigung des Netzeigentums.
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 17.12.2013, Az. EnZR 10/13:
      • Der scheidende Netzbetreiber muss detaillierte Informationen über das Netz offenlegen.
    • BVerwG, Urteil vom 14.02.2018, Az. 8 C 18/16:
      • Die Netzübernahme muss diskriminierungsfrei erfolgen, wobei das öffentliche Interesse Vorrang hat.

4.3 Entflechtung (Unbundling)

  • Netzbetreiber müssen rechtlich und organisatorisch von Energieerzeugung und -vertrieb getrennt sein (§§ 6 ff. EnWG).
  • Ziel: Vermeidung von Interessenkonflikten und Diskriminierung.

5. Herausforderungen und Streitpunkte

Das Konzessionsrecht steht vor zahlreichen Herausforderungen, die rechtliche, wirtschaftliche und technische Aspekte umfassen.

5.1 Wettbewerbsverzerrungen

  • Kommunale Eigenbetriebe können bei der Vergabe bevorzugt werden.
  • Konflikte zwischen kommunalen Interessen und Markttransparenz.

5.2 Netzübernahme

  • Probleme bei der Bewertung und Entschädigung von Netzanlagen.
  • Verzögerungen bei der Übergabe können die Versorgungssicherheit gefährden.

5.3 Förderpolitische Zielkonflikte

  • Integration erneuerbarer Energien und Smart Grids als neue Anforderungen.
  • Fehlende Standards für die Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien bei der Konzessionsvergabe.

5.4 Rechtssicherheit

  • Uneinheitliche Rechtsprechung und Auslegungsprobleme führen zu Unsicherheiten.
  • Beispiel: Unterschiedliche Bewertungen der Transparenzpflichten nach § 46 EnWG.

6. Zukünftige Entwicklungen

6.1 Digitalisierung und Smart Grids

  • Zunehmender Einsatz digitaler Technologien erfordert Anpassungen der Konzessionsverträge.
  • Smart Grids und dezentrale Energieversorgung stellen neue Anforderungen an Netzbetreiber.

6.2 Kommunalisierung

  • Trend zur Rekommunalisierung von Netzen, um lokale Energiewendeziele zu fördern.
  • Risiko: Potenzielle Wettbewerbsverzerrungen und Effizienzverluste.

6.3 EU-weite Harmonisierung

  • Angleichung der Konzessionsregelungen innerhalb der EU zur Förderung eines einheitlichen Energiemarkts.

Insgesamt

Das Konzessionsrecht im Energierecht ist ein hochkomplexes und dynamisches Rechtsgebiet, das zahlreiche Akteure und Interessen verbindet. Es erfordert eine sorgfältige Balance zwischen kommunalen, wirtschaftlichen und öffentlichen Interessen. Die rechtlichen Herausforderungen liegen insbesondere in der Umsetzung der Wettbewerbs- und Transparenzvorgaben, der Integration neuer Technologien und der Förderung einer nachhaltigen Energieversorgung. Energierechtler müssen dabei eine Schlüsselfunktion einnehmen, um rechtliche Klarheit zu schaffen und Konflikte zu lösen.