Die Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien unterliegt umfangreichen rechtlichen Regelungen, die nationale, europäische und internationale Ebenen umfassen. Sie betreffen Fragen zur EEG-Umlage, Steuerpflichten, Netznutzung, Fördermöglichkeiten und technischen Anforderungen. Die rechtliche Gestaltung ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
1. Nationale Rechtsgrundlagen
1.1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
- Begriffsbestimmung (§ 3 Nr. 19 EEG):
- Eigenversorgung liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person Strom erzeugt und diesen unmittelbar selbst verbraucht, ohne ihn durch ein Netz an Dritte zu liefern.
- Typische Fälle:
- Solaranlagen auf Privathäusern oder Gewerbebetrieben.
- KWK-Anlagen in Industrieprozessen.
- EEG-Umlagepflicht (§ 61 EEG):
- Befreiung für kleine Anlagen:
- Anlagen bis 30 kWp und einer Jahresproduktion von maximal 30 MWh sind vollständig von der EEG-Umlage befreit (§ 61a EEG).
- Reduzierte Umlage für größere Anlagen:
- Für Eigenversorgung aus Anlagen, die nach dem 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden, beträgt die EEG-Umlage 40 % der regulären Umlage (§ 61b EEG).
- Volle Umlagepflicht bei Netznutzung:
- Wenn der Strom durch das öffentliche Netz geleitet wird, fällt die volle EEG-Umlage an.
- Technische Voraussetzungen:
- Messung und Abrechnung:
- Eigenverbrauch muss durch ein intelligentes Messsystem (Smart Meter) dokumentiert werden (§ 61h EEG).
- Meldepflichten:
- Anlagenbetreiber müssen den Eigenverbrauch der Bundesnetzagentur melden (§ 74a EEG).
1.2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
- Definition (§ 3 Nr. 19 EnWG):
- Eigenversorgung ist definiert als die Nutzung selbst erzeugten Stroms, ohne diesen über ein Netz an Dritte zu liefern.
- Unbundling-Pflichten (§ 7 EnWG):
- Netzbetreiber dürfen keine Eigenversorgungsanlagen betreiben, um eine Diskriminierung anderer Stromlieferanten zu vermeiden.
- Netzanschluss (§ 17 EnWG):
- Eigenversorgungsanlagen haben Anspruch auf diskriminierungsfreien Anschluss an das öffentliche Netz.
1.3 Stromsteuerrecht (StromStG)
- Befreiung von der Stromsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG):
- Eigenverbrauch aus erneuerbaren Energien ist in der Regel stromsteuerfrei.
- Ausnahmen:
- Bei Lieferung an Dritte fällt Stromsteuer an.
- Bei Verwendung in gewerblichen Anlagen außerhalb des Eigenbedarfs.
- Steuerliche Pflichten:
- Betreiber größerer Anlagen müssen den Eigenverbrauch beim Hauptzollamt melden.
1.4 Messstellenbetriebsgesetz (MsbG)
- Pflicht zur Installation intelligenter Messsysteme (§ 29 MsbG):
- Anlagen mit einer installierten Leistung über 7 kW müssen mit Smart Metern ausgestattet werden.
- Datenschutz und Interoperabilität (§ 24 MsbG):
- Smart-Meter-Systeme müssen den Datenschutzanforderungen der DSGVO entsprechen.
2. Europäischer Rechtsrahmen
2.1 Renewable Energy Directive II (RED II)
- Rechte von Eigenversorgern:
- Eigenversorger haben das Recht, erneuerbare Energien zu erzeugen, zu speichern und zu verbrauchen, ohne diskriminierende Gebühren oder Belastungen (§ 21 RED II).
- Förderung von „Energy Communities“, in denen mehrere Akteure ihre Eigenversorgung koordinieren (§ 22 RED II).
- Förderung von erneuerbaren Energien:
- Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Eigenverbrauchsmodelle durch finanzielle Anreize zu fördern.
- Verpflichtung, unnötige regulatorische Hürden zu reduzieren.
2.2 Beihilfenrecht
- EU-Beihilferegeln für erneuerbare Energien:
- Förderungen für Eigenversorgungsanlagen müssen im Einklang mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen im Energie- und Umweltschutz stehen.
- Praxisfall:
- Der EuGH hat in mehreren Fällen klargestellt, dass Förderungen für Eigenversorgung (z. B. reduzierte EEG-Umlage) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind, wenn sie die Wettbewerbsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränken (z. B. C-405/16).
3. Steuerrechtliche Aspekte
3.1 Umsatzsteuer
- Eigenverbrauchsbesteuerung:
- Wenn der Betreiber der Anlage ein Gewerbetreibender ist, kann der Eigenverbrauch umsatzsteuerpflichtig sein (§ 3 Abs. 1b UStG).
- Beispiel: Ein Gewerbebetrieb, der Strom aus seiner PV-Anlage für Produktionszwecke nutzt, muss diesen Stromverbrauch versteuern.
- Vorsteuerabzug:
- Anlagenbetreiber können die Vorsteuer für die Anschaffungskosten der Anlage abziehen, wenn sie der Umsatzsteuerpflicht unterliegen (§ 15 UStG).
3.2 Gewerbesteuer
- Steuerpflichtige Erträge:
- Betreiber von Eigenversorgungsanlagen können gewerbesteuerpflichtig werden, wenn die Stromerzeugung über den Eigenbedarf hinausgeht (§ 8 Nr. 1 GewStG).
4. Förderrechtliche Aspekte
4.1 Fördermöglichkeiten
- EEG-Förderung:
- Einspeisevergütungen oder Marktprämien für überschüssigen Strom, der ins Netz eingespeist wird.
- Beispiel: Eine PV-Anlage mit einer Leistung von 10 kWp erhält 8,2 ct/kWh für eingespeisten Strom.
- KfW-Programme:
- Kredite und Zuschüsse für den Bau von Eigenversorgungsanlagen, z. B. KfW-Programm 270 („Erneuerbare Energien – Standard“).
- EU-Förderungen:
- Horizon Europe und andere EU-Programme unterstützen innovative Eigenversorgungsprojekte.
5. Regulatorische Herausforderungen
5.1 EEG-Umlage und Netzumlage
- Anlagenbetreiber müssen sicherstellen, dass die Regelungen zur EEG-Umlage korrekt angewendet werden, insbesondere bei Eigenverbrauch mit Netzdurchleitung.
5.2 Netzanbindung
- Netzanschlussbedingungen variieren regional und müssen mit dem Netzbetreiber abgestimmt werden (z. B. TAB).
5.3 Meldepflichten
- Anlagenbetreiber unterliegen umfangreichen Melde- und Nachweispflichten gegenüber der Bundesnetzagentur, den Netzbetreibern und ggf. Zoll- oder Finanzbehörden.
6. Gerichtliche und behördliche Entscheidungen
6.1 EuGH, Urteil vom 28. März 2019, Az. C-405/16
- Der EuGH bestätigte, dass die reduzierte EEG-Umlage für Eigenversorger im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften steht, sofern sie keine unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrung verursacht.
6.2 BGH, Urteil vom 11. Oktober 2022, Az. VIII ZR 240/21
- Klärung der Abgrenzung zwischen Eigenversorgung und Drittlieferung bei gemeinsamen Anlagen auf Mietshäusern.
6.3 Bundesnetzagentur
- Regelmäßige Klarstellungen zu Meldepflichten und Umlagen für Eigenversorgungsanlagen (z. B. Hinweisblatt zur Eigenversorgung, 2021).
Insgesamt
Die Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien ist rechtlich anspruchsvoll und erfordert eine sorgfältige Planung und Dokumentation. Besonders die Abgrenzung von Eigenverbrauch und Drittlieferung, die Einhaltung von Meldepflichten und die korrekte Anwendung von Förder- und Steuerregelungen sind essenziell. Eine rechtliche Beratung ist unverzichtbar, um regulatorische Risiken zu minimieren und die Wirtschaftlichkeit der Projekte zu sichern.