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Neues im Konzessionsrecht des Energiesektors

Das Konzessionsrecht im Energiesektor erfährt durch neue gerichtliche Entscheidungen, regulatorische Anpassungen und innovative Vertragsmodelle erhebliche Veränderungen. Besonders im Bereich der Netzkonzessionen sind Wettbewerbsfragen und Transparenzanforderungen zentrale Themen.


1. Aktuelle Rechtsprechung

a) Wasserkonzessionen unterliegen den gleichen Transparenzpflichten wie Strom- und Gaskonzessionen

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschied am 27. August 2024 (Az. 13 U 5/23 (Kart)), dass für Wasserkonzessionsvergaben dieselben Transparenz- und Diskriminierungsfreiheitsanforderungen gelten wie bei Strom- und Gaskonzessionen. Gemeinden müssen ein diskriminierungsfreies und objektives Auswahlverfahren sicherstellen. Besonders problematisch war in diesem Fall, dass die Kommune Vergabekriterien festlegte, die einen neuen Anbieter strukturell benachteiligten. Das Gericht stellte zudem klar, dass Rügefristen in den Verfahrensunterlagen nicht unangemessen kurz sein dürfen, da sie den effektiven Rechtsschutz behindern.

b) Neutralität der Vergabestelle bei Beteiligung kommunaler Unternehmen

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 28. Januar 2020 (Az. EnZR 116/18 – „Gasnetz Leipzig“), dass eine Vergabestelle neutral sein muss, wenn sie sich selbst mit einem kommunalen Unternehmen um die Konzession bewirbt. Die bloße Mitwirkung von Personen, die in einem kommunalen Unternehmen tätig sind, führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Vergabe. Es muss jedoch nachgewiesen werden, dass eine unzulässige Beeinflussung des Verfahrens stattgefunden hat. Diese Entscheidung ist besonders für Kommunen mit Stadtwerken von Bedeutung, da diese häufig sowohl als Vergabestelle als auch als Bieter auftreten.

c) Übertragung von Hochspannungs- und Hochdruckleitungen bei Netzwechsel

In seinem Urteil vom 7. April 2020 (Az. EnZR 41/19) entschied der BGH, dass ein neuer Konzessionär Anspruch auf die Übertragung von Hochspannungs- und Hochdruckleitungen haben kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Anlagen für die Aufrechterhaltung der Energieversorgung unverzichtbar sind. Dabei ist es unerheblich, ob unmittelbar Endverbraucher an diese Leitungen angeschlossen sind. Das Urteil hat weitreichende Folgen für Netzübernahmen, da es klarstellt, dass auch übergeordnete Netzstrukturen Teil des Übertragungsanspruchs sein können.

d) Vergabe von Stromnetzkonzessionen – Wettbewerbsförderung versus Bestandsschutz

Der BGH entschied am 17. Dezember 2013 (Az. KZR 65/12 – „Stromnetz Heiligenhafen“), dass Kommunen ihre Energiekonzessionen nicht ohne wettbewerbliches Verfahren an neu gegründete Stadtwerke vergeben dürfen. Die Entscheidung stärkt den Wettbewerb bei der Netzvergabe und verhindert, dass Kommunen bestehende private Netzbetreiber ohne sachliche Begründung aus dem Markt drängen.


2. Neue Vertragsarten und regulatorische Entwicklungen

a) Dynamische Konzessionsverträge

Aufgrund der volatilen Energiepreise und regulatorischen Unsicherheiten setzen Netzbetreiber und Kommunen zunehmend auf dynamische Konzessionsverträge. Diese enthalten flexible Klauseln, die eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen ermöglichen. Beispielsweise können CO₂-Bepreisung oder gesetzliche Änderungen automatisch in den wirtschaftlichen Rahmen des Vertrages integriert werden.

b) Kommunale Energieversorgungsmodelle und Inhouse-Vergaben

Immer mehr Kommunen entscheiden sich für eigene Energieversorgungsmodelle oder Kooperationen mit Stadtwerken. Dabei wird häufig versucht, Konzessionen über eine Inhouse-Vergabe direkt an kommunale Unternehmen zu vergeben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – C-159/11, „Spezzino-Entscheidung“) ist eine Direktvergabe nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Eine Kommune darf ihre eigene Gesellschaft nur beauftragen, wenn diese überwiegend kommunale Aufgaben erfüllt und eine tatsächliche Kontrolle durch die Kommune besteht.

c) Reform der Konzessionsabgaben

Durch die steigenden Energiepreise sind die Grenzwerte für die Berechnung der Konzessionsabgaben deutlich gestiegen. Dies bedeutet höhere Einnahmen für Kommunen, hat aber auch Auswirkungen auf den Wettbewerb. Es wird diskutiert, ob das derzeitige System reformiert werden muss, da die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) an den Energieverbrauch gekoppelt ist und dadurch Effizienzmaßnahmen wirtschaftlich unattraktiver macht.


3. Zukunftsperspektiven und Handlungsempfehlungen

  • Transparenz in Vergabeverfahren stärken: Kommunen und Netzbetreiber müssen ihre Ausschreibungen an die aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung anpassen, um Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
  • Rechtssichere Gestaltung von Konzessionsverträgen: Die Integration flexibler Anpassungsklauseln in Konzessionsverträge kann helfen, rechtliche und wirtschaftliche Risiken besser zu managen.
  • Vermeidung von Kartellrechtsproblemen: Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und kommunalen Versorgern muss kartellrechtskonform erfolgen, insbesondere bei Inhouse-Vergaben.
  • Prüfung der Konzessionsabgabenregelungen: Eine mögliche Reform der Konzessionsabgaben sollte mit Blick auf Klimaschutz und wirtschaftliche Fairness erfolgen, um Fehlanreize im Markt zu vermeiden.

Das Konzessionsrecht bleibt ein dynamisches Feld, das durch wirtschaftliche, regulatorische und juristische Entwicklungen geprägt ist. Eine enge Beobachtung der aktuellen Entwicklungen ist für betroffene Unternehmen und Kommunen essenziell, um wirtschaftliche Risiken zu minimieren und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.