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Recht des aktuellen EEG

Grundlagen und Ziele des aktuellen EEG

Das EEG 2023 verfolgt ambitionierte Ziele:

  • Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf mindestens 80% bis 2030
  • Treibhausgasneutralität der Stromerzeugung bis 2035
  • Beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien als Teil des „Osterpakets“ der Bundesregierung
  • Ausbau als „überragendes öffentliches Interesse“ und im Dienste der öffentlichen Sicherheit

Die zentralen Mechanismen des EEG sind:

  1. Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren Energien
  2. Förderung durch garantierte Vergütungssätze oder Marktprämien
  3. Ausschreibungsverfahren für größere Anlagen
  4. Regelungen zur Direktvermarktung

Wesentliche Änderungen im EEG 2023

Ausbaupfade und Ziele

Das EEG 2023 legt deutlich höhere Ausbaupfade fest:

  • Windenergie an Land: Installierte Leistung von 115 GW bis 2030
  • Photovoltaik: Installierte Leistung von 215 GW bis 2030
  • Biomasse: Installierte Leistung von 8,4 GW bis 2030
  • Offshore-Windenergie: Installierte Leistung von 30 GW bis 2030

Flächenbereitstellung

  • Verpflichtung der Bundesländer, 2% ihrer Landesfläche für Windenergie bereitzustellen
  • Verteilung auf die Bundesländer gemäß Flächenbedarfswerten im WindBG
  • Stufenweise Umsetzung bis 2032, mit Zwischenzielen für 2027

Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

  • Vereinfachte Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Anlagen
  • Privilegierung im Rahmen der Abwägung mit anderen Belangen (z.B. Naturschutz)
  • Verkürzung von Fristen und Vereinfachung von Prüfverfahren

Wichtige Rechtsprechung zum EEG

Verfassungsmäßigkeit des EEG

BVerfG, Beschluss vom 23.10.2014, Az. 1 BvR 2736/13 Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Verfassungsmäßigkeit der EEG-Umlage als Sonderabgabe und stellte fest, dass das EEG keine unzulässige Beihilfe darstellt.

EEG-Umlage und Eigenversorgung

BGH, Urteil vom 13.02.2019, Az. VIII ZR 75/18 Der BGH entschied, dass auch bei Eigenversorgung grundsätzlich eine EEG-Umlage anfällt, sofern nicht explizite Ausnahmetatbestände greifen.

BVerwG, Urteil vom 27.09.2018, Az. 8 C 4.17 Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass kleine PV-Anlagen unter 10 kW von der EEG-Umlage für selbstverbrauchten Strom befreit sind.

Eigenversorgung und Bestandsschutz

BGH, Urteil vom 20.11.2018, Az. EnVR 65/17 Der BGH stellte klar, dass für Bestandsanlagen zur Eigenversorgung, die vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen wurden, der Bestandsschutz nach § 61e EEG greift.

Definition der Inbetriebnahme

BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. VIII ZR 359/19 Der BGH präzisierte den Begriff der Inbetriebnahme im Sinne des EEG und entschied, dass eine Anlage als in Betrieb genommen gilt, wenn sie nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft erstmals Strom erzeugt.

Anspruch auf EEG-Vergütung

BGH, Urteil vom 14.04.2021, Az. XIII ZR 27/19 Der BGH entschied, dass der Anspruch auf EEG-Vergütung grundsätzlich auch dann besteht, wenn ein Anlagenbetreiber nicht alle formellen Anforderungen erfüllt hat, sofern die materiellen Voraussetzungen gegeben sind.

Ausschreibungsverfahren

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.07.2020, Az. VI-3 Kart 806/19 Das OLG Düsseldorf bestätigte die Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsregelungen für Solaranlagen und wies eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung zu einer Ausschreibung zurück.

Clearingstelle EEG|KWKG

BGH, Urteil vom 10.07.2019, Az. VIII ZR 55/18 Der BGH bestätigte die Feststellung der Clearingstelle EEG|KWKG zur Auslegung des Anlagenbegriffs im Zusammenhang mit der Vergütungsberechnung.

Vertragsarten im Zusammenhang mit dem EEG

1. Einspeiseverträge

Regelung der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energienanlagen in das öffentliche Netz.

Wesentliche Inhalte:

  • Höhe der Einspeisevergütung
  • Dauer der Vergütung (in der Regel 20 Jahre)
  • Technische Anforderungen an die Anlage
  • Messkonzept und Abrechnungsmodalitäten

Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 05.07.2017, Az. VIII ZR 147/16 Der BGH entschied, dass Einspeiseverträge nach dem EEG als gesetzliche Schuldverhältnisse zu qualifizieren sind, deren Inhalt im Wesentlichen durch das EEG bestimmt wird.

2. Direktvermarktungsverträge

Regelung der Vermarktung des erzeugten Stroms direkt am Strommarkt.

Wesentliche Inhalte:

  • Regelungen zur Abnahme des erzeugten Stroms
  • Preisgestaltung und Marktprämie
  • Pflichten zur Prognose und Fahrplanmeldung
  • Regelungen zu Ausgleichsenergie
  • Kündigungsfristen und -modalitäten

Rechtsprechung: OLG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2017, Az. 2 U 99/16 Das OLG Stuttgart entschied, dass Direktvermarktungsverträge als freie Vertragsgestaltungen grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach AGB-Recht unterliegen.

3. Netzanschlussverträge

Regelung des Anschlusses der Erneuerbare-Energien-Anlage an das öffentliche Netz.

Wesentliche Inhalte:

  • Technische Anschlussbedingungen
  • Kostentragung für den Netzanschluss
  • Fristen für die Herstellung des Anschlusses
  • Regelungen zur Abnahmeprüfung

Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 08.10.2019, Az. EnZR 113/18 Der BGH entschied über die Kostentragung bei Netzanschlüssen und stellte fest, dass der Netzbetreiber die Kosten für den Netzanschluss bis zum Verknüpfungspunkt zu tragen hat.

4. Pachtverträge für Anlagenflächen

Regelung der Nutzung von Grundstücken oder Dachflächen für Erneuerbare-Energien-Anlagen.

Wesentliche Inhalte:

  • Pachtdauer (oft 20-25 Jahre)
  • Pachthöhe (oft als Prozentsatz der Einspeisevergütung oder fix)
  • Regelungen zur Anlagenerrichtung und -betrieb
  • Rückbauverpflichtungen

Rechtsprechung: OLG Koblenz, Urteil vom 23.07.2020, Az. 1 U 1318/19 Das OLG Koblenz entschied, dass langfristige Pachtverträge für Photovoltaikanlagen auf Dächern wirksam sind und keiner notariellen Beurkundung bedürfen.

5. Anlagenkaufverträge und Wartungsverträge

Regelung des Kaufs und der Wartung von Erneuerbare-Energien-Anlagen.

Wesentliche Inhalte:

  • Leistungsbeschreibung und Garantiezusagen
  • Kaufpreis und Zahlungsmodalitäten
  • Regelungen zu Inbetriebnahme und Abnahme
  • Wartungs- und Reparaturpflichten
  • Reaktionszeiten bei Störungen

Rechtsprechung: OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2018, Az. 2 U 39/17 Das OLG Hamm entschied über Schadensersatzansprüche bei mangelhafter Installation einer Photovoltaikanlage und betonte die Bedeutung vertraglicher Leistungszusagen.

Wichtige Aspekte bei der praktischen Umsetzung des EEG

1. Technische Anforderungen

Einhaltung der technischen Vorgaben:

  • Technische Anschlussbedingungen (TAB) der Netzbetreiber
  • Einhaltung der VDE-Normen, insbesondere VDE-AR-N 4105
  • Erfüllung der Anforderungen an die Fernsteuerbarkeit für Anlagen über 25 kW

Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 09.02.2021, Az. XIII ZR 144/19 Der BGH entschied, dass die Nichteinhaltung technischer Anforderungen zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen kann, wenn dadurch die Netzstabilität gefährdet wird.

2. Meldepflichten und Register

Wesentliche Meldepflichten:

  • Registrierung im Marktstammdatenregister (MaStR)
  • Meldung von Inbetriebnahme, Änderungen und Stilllegung
  • Meldepflichten gegenüber dem Netzbetreiber

Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 10.07.2019, Az. VIII ZR 55/18 Der BGH entschied, dass Verstöße gegen Meldepflichten nicht automatisch zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen, sofern sie nicht kausal für einen Schaden sind.

3. Messung und Abrechnung

Anforderungen an die Messung:

  • Einhaltung des Messstellenbetriebsgesetzes
  • Installation geeigneter Messeinrichtungen
  • Anforderungen an Smart-Meter bei größeren Anlagen

Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 16.10.2019, Az. VIII ZR 325/18 Der BGH entschied über die Kostenverteilung für Messung und Abgrenzung von Strommengen bei verschiedenen Vergütungssätzen.

4. Eigenversorgung und Mieterstrom

Regelungen zur Eigenversorgung:

  • Teilweise EEG-Umlagepflicht für Eigenversorgung (40%)
  • Ausnahmen für kleine Anlagen unter 30 kWp bis 30 MWh/Jahr
  • Regelungen zum Mieterstromzuschlag nach § 21 Abs. 3 EEG

Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 20.11.2018, Az. EnVR 65/17 Der BGH definierte den Begriff der Eigenversorgung im Sinne des EEG und stellte klar, dass eine räumliche Nähe zwischen Erzeugungsanlage und Verbrauchsstelle erforderlich ist.

5. Direktvermarktung und Marktprämie

Direktvermarktungspflicht:

  • Verpflichtende Direktvermarktung für Anlagen über 100 kW
  • Berechnung der Marktprämie als Differenz zwischen anzulegendem Wert und Referenzmarktwert
  • Pflichten zur Fernsteuerbarkeit

Rechtsprechung: OLG Köln, Urteil vom 13.11.2019, Az. 16 U 18/19 Das OLG Köln entschied über die Zulässigkeit von Kündigungsfristen in Direktvermarktungsverträgen und bestätigte eine Frist von drei Monaten als angemessen.

6. Ausschreibungsverfahren

Teilnahme an Ausschreibungen:

  • Pflicht zur Teilnahme für größere Anlagen (z.B. PV > 1 MW, Wind > 750 kW)
  • Sicherheitsleistungen und Gebote
  • Umsetzungsfristen nach Zuschlag
  • Pönalen bei Nichtumsetzung

Rechtsprechung: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.05.2019, Az. VI-3 Kart 799/18 Das OLG Düsseldorf bestätigte die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Bieters von einer Ausschreibung wegen formaler Fehler.

Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen

1. Solarpaket I und II

Das im April 2023 verabschiedete Solarpaket I und das geplante Solarpaket II bringen weitere Erleichterungen für die Photovoltaik:

  • Vereinfachung des Netzanschlusses für kleine PV-Anlagen
  • Erleichterungen bei Balkonkraftwerken (Erhöhung auf 800 W)
  • Wegfall der Umsatzsteuer auf PV-Anlagen und Speicher
  • Erweiterte Möglichkeiten für Mieterstrom und Energiegemeinschaften

2. Reform der Netzentgelte

Die aktuell diskutierte Reform der Netzentgelte könnte erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energien haben:

  • Umverteilung der Netzkosten zwischen Regionen
  • Anreize für netzdienliches Verhalten
  • Zeitvariable Netzentgelte

3. Aktuelle Rechtsprechung zur Anlagenzusammenfassung

BGH, Urteil vom 23.10.2023, Az. VIII ZR 71/22 Der BGH präzisierte die Kriterien für die vergütungsrechtliche Zusammenfassung von PV-Anlagen und stellte klar, dass räumliche Nähe, Inbetriebnahme innerhalb von 12 Monaten und gleiche Energieträger kumulativ vorliegen müssen.

Ausblick

Das EEG 2023 stellt einen bedeutenden Schritt zur Beschleunigung der Energiewende dar. Die erhöhten Ausbauziele und die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sollen den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigen. Die komplexe Rechtslage erfordert jedoch nach wie vor eine sorgfältige Planung und juristische Begleitung von EEG-Projekten.

Mit dem Fortschreiten der Energiewende ist davon auszugehen, dass das EEG weiter angepasst und fortentwickelt wird, um den technologischen und marktseitigen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Insbesondere die Integration von Speichern, Sektorenkopplung und die Förderung von Flexibilitäten dürften in zukünftigen EEG-Novellen stärker in den Fokus rücken.

Für Anlagenbetreiber, Investoren und Netzbetreiber bleibt es daher unerlässlich, die rechtlichen Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und rechtlichen Rat einzuholen, um rechtssicher im Rahmen des EEG agieren zu können.