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Atomgesetze

Die Atomgesetze regeln den Umgang mit Kernenergie, die Entsorgung radioaktiver Abfälle und den Schutz vor ionisierender Strahlung. In Deutschland sind diese Gesetze insbesondere durch den Atomausstieg und die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle geprägt. Die rechtlichen Grundlagen des Atomrechts zielen darauf ab, die Sicherheit der Bevölkerung und den Schutz der Umwelt zu gewährleisten. Gleichzeitig ist die deutsche Gesetzgebung eng mit internationalen und europäischen Regelungen verzahnt. Nachfolgend wird das Atomrecht in Deutschland summarisch dargestellt.


1. Zentrale Gesetze und Verordnungen im deutschen Atomrecht

1.1 Atomgesetz (AtG)

Das Atomgesetz (AtG) bildet die zentrale Grundlage des deutschen Atomrechts. Es regelt die Nutzung der Kernenergie, den Atomausstieg und die Entsorgung radioaktiver Abfälle.

1.1.1 Zielsetzung
  • Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor den Gefahren der Kernenergie.
  • Sicherstellung eines geordneten Atomausstiegs und der Entsorgung radioaktiver Stoffe.
1.1.2 Wesentliche Inhalte
  1. Genehmigungen (§ 7 AtG):
    • Betrieb, Errichtung, Stilllegung und Rückbau von Kernkraftwerken bedürfen einer Genehmigung.
    • Strenge Anforderungen an Sicherheit und Strahlenschutz.
  2. Atomausstieg (§ 7 Abs. 1a AtG):
    • Abschaltung aller Kernkraftwerke in Deutschland bis zum 31. Dezember 2022.
  3. Entsorgung (§§ 9a–9e AtG):
    • Vorgaben zur Zwischenlagerung und Endlagerung radioaktiver Abfälle.
    • Betreiber von Kernkraftwerken sind verpflichtet, die Entsorgungskosten zu tragen.
  4. Haftung (§ 25 AtG):
    • Uneingeschränkte Haftung der Betreiber für Schäden durch Kernenergie.
  5. Schutzmaßnahmen (§§ 12–15 AtG):
    • Vorschriften zur Verhütung von Störfällen und zur Begrenzung von Strahlenbelastungen.

1.2 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG)

Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) regelt den Schutz von Mensch und Umwelt vor ionisierender Strahlung.

1.2.1 Zielsetzung
  • Minimierung der Strahlenbelastung durch natürliche und künstliche Strahlungsquellen.
  • Festlegung von Grenzwerten und Schutzmaßnahmen.
1.2.2 Wesentliche Inhalte
  1. Strahlenschutzgrundsätze (§ 6 StrlSchG):
    • Rechtfertigung, Optimierung und Dosisbegrenzung bei der Nutzung radioaktiver Stoffe.
  2. Grenzwerte (§ 78 StrlSchG):
    • Festlegung von Dosisgrenzwerten für die Exposition von Beschäftigten und der Bevölkerung.
  3. Notfallschutz (§§ 89–95 StrlSchG):
    • Maßnahmen zur Bewältigung von radiologischen Notfällen, einschließlich Evakuierungsplänen.
  4. Überwachung (§§ 47–50 StrlSchG):
    • Kontrolle von Strahlenquellen und Überprüfung der Einhaltung von Strahlenschutzvorgaben.

1.3 Standortauswahlgesetz (StandAG)

Das Standortauswahlgesetz (StandAG) regelt die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle.

1.3.1 Zielsetzung
  • Wissenschaftlich fundierte und transparente Auswahl eines Endlagerstandorts unter Beteiligung der Öffentlichkeit.
1.3.2 Wesentliche Inhalte
  1. Verfahrensphasen (§§ 13–26 StandAG):
    • Drei Phasen der Standortsuche: Erkundung, Auswahl und Entscheidung.
    • Berücksichtigung geologischer, ökologischer und sozialer Kriterien.
  2. Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 8 StandAG):
    • Transparenz und Partizipation der Bevölkerung in allen Verfahrensschritten.
  3. Endlagerbetrieb (§ 29 StandAG):
    • Vorgaben für den Betrieb und die spätere Schließung des Endlagers.

1.4 Endlagervorausleistungsverordnung (EndlV)

Die Verordnung konkretisiert die Anforderungen an die geologische und technische Sicherheit eines Endlagers.


1.5 Atomrechtliche Verfahrensverordnung (AtVfV)

Die Verordnung regelt das Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen und zur Überwachung kerntechnischer Anlagen.


2. Internationale und europäische Vorgaben

2.1 Internationale Abkommen

  1. Übereinkommen über nukleare Sicherheit (1994):
    • Festlegung internationaler Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke.
  2. Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Entsorgung radioaktiver Abfälle (1997):
    • Verpflichtung zur sicheren Lagerung und Entsorgung radioaktiver Abfälle.
  3. Verträge der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA):
    • Überwachung der friedlichen Nutzung der Kernenergie.

2.2 Europäische Richtlinien und Verordnungen

  1. Euratom-Vertrag (1957):
    • Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die Nutzung der Kernenergie in Europa.
  2. Richtlinie 2011/70/Euratom:
    • Vorgaben für die sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen.
  3. Richtlinie 2009/71/Euratom:
    • Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke und andere kerntechnische Anlagen.
  4. Richtlinie 2013/59/Euratom:
    • Festlegung von Strahlenschutzstandards für Beschäftigte und Bevölkerung.

3. Rechtsprechung im Atomrecht

  1. BVerfG, Urteil vom 06.12.2016, Az. 1 BvR 2821/11:
    • Entschädigungsansprüche von Kernkraftwerksbetreibern im Zusammenhang mit dem Atomausstieg.
  2. EuGH, Urteil vom 29.07.2019, Az. C-411/17:
    • Anforderungen an Umweltverträglichkeitsprüfungen für kerntechnische Anlagen.
  3. BVerwG, Urteil vom 07.06.2017, Az. 7 C 1.16:
    • Rechtmäßigkeit von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente.

4. Herausforderungen im Atomrecht

4.1 Endlagersuche

  • Die Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktive Abfälle ist technisch und gesellschaftlich herausfordernd.
  • Widerstand der Bevölkerung in potenziellen Standortregionen.

4.2 Rückbau kerntechnischer Anlagen

  • Hohe Kosten und lange Dauer des Rückbaus abgeschalteter Kernkraftwerke.
  • Sicherstellung der sicheren Zwischenlagerung von radioaktiven Materialien.

4.3 Haftungsfragen

  • Umfang und Grenzen der Haftung bei Störfällen oder Umweltschäden.

5. Zukunftsperspektiven

5.1 Langfristige Entsorgung

  • Abschluss der Standortsuche und Beginn des Endlagerbetriebs, voraussichtlich ab 2050.

5.2 Digitalisierung und Sicherheit

  • Einsatz moderner Technologien zur Überwachung und Sicherheit kerntechnischer Anlagen.

5.3 Internationale Zusammenarbeit

  • Harmonisierung der Sicherheitsstandards und intensivere Zusammenarbeit bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle.
  • AtAV
    Verordnung über die Verbringung radioaktiver Abfälle in das oder aus dem Bundesgebiet
  • AtDeckV
    Verordnung über die Deckungsvorsorge nach dem Atomgesetz
  • AtG
    Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren
  • AtGKostÄndG
    Gesetz zur Änderung von Kostenvorschriften des Atomgesetzes
  • AtHaftAbk CHE
    Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie
  • AtHaftAbkCHEG
    Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Oktober 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie
  • AtHaftÜbk
    Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie
  • AtHaftÜbkG
    Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie nebst Zusatzvereinbarungen, zu dem Übereinkommen vom 25. Mai 1962 über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen nebst Zusatzprotokoll und zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1971 über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterial auf See
  • AtHaftÜbkZProt
    Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie
  • AtHaftÜbkZÜbk
    Zusatzübereinkommen zum Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie
  • AtHaftÜbkZÜbkZProt
    Zusatzprotokoll zum Zusatzübereinkommen vom 31. Januar 1963 zum Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie
  • AtKostV
    Kostenverordnung zum Atomgesetz
  • AtSchÜbkG
    Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz von Kernmaterial
  • AtSMV
    Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen
  • AtStrlSV
    Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz
  • AtStrlSVDBest
    Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz
  • AtVfV
    Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes
  • AtVfVÄndV 2
    Zweite Verordnung zur Änderung der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung
  • AtZüV
    Verordnung für die Überprüfung der Zuverlässigkeit zum Schutz gegen Entwendung oder erhebliche Freisetzung radioaktiver Stoffe nach dem Atomgesetz