Das Windenergierecht umfasst die rechtlichen Regelungen für Planung, Bau, Betrieb und Rückbau von Windenergieanlagen (WEA). Es integriert verschiedene Rechtsgebiete wie Bau-, Umwelt- und Energierecht sowie privatrechtliche und europarechtliche Vorgaben. Ziel ist es, den Ausbau der Windenergie im Einklang mit rechtlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Interessen zu fördern.
1. Rechtsgrundlagen
1.1 Nationale Regelungen
- Energiewirtschaftsgesetz (EnWG):
- Regelt die Marktstruktur und den Netzzugang für Strom aus Windenergie.
- Schafft den rechtlichen Rahmen für die Integration erneuerbarer Energien.
- Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG):
- Fördert die Einspeisung von Strom aus Windenergie durch Einspeisevergütungen und Marktprämien.
- Beinhaltet eine Netzanschluss- und Abnahmepflicht für Netzbetreiber (§§ 19–21 EEG).
- Baugesetzbuch (BauGB):
- Regelt die Raumordnung und Bauleitplanung für Windenergieanlagen.
- Gemeinden können Vorranggebiete für Windkraft ausweisen (§ 35 BauGB).
- Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG):
- Genehmigungsrechtliche Grundlage für den Bau und Betrieb von WEA.
- Prüfung der Auswirkungen auf Lärm, Schattenwurf und Umweltschutz.
- Naturschutzgesetz (BNatSchG):
- Beinhaltet Vorschriften zum Schutz von Tieren und Pflanzen, die bei der Standortwahl von WEA zu beachten sind.
1.2 Europäische Regelungen
- Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II):
- Verpflichtet Mitgliedstaaten, den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern.
- Stärkt Rechte von Anlagenbetreibern hinsichtlich des Netzzugangs.
- Habitats- und Vogelschutzrichtlinie:
- Regelt den Schutz gefährdeter Arten und Lebensräume, die bei der Planung von WEA berücksichtigt werden müssen.
1.3 Internationale Vorgaben
- Pariser Klimaschutzabkommen:
- Verpflichtet Staaten, Maßnahmen zur Reduktion von CO₂-Emissionen zu ergreifen, wobei Windenergie eine Schlüsselrolle spielt.
2. Standortwahl und Genehmigung
2.1 Standortwahl
Die Standortwahl von Windenergieanlagen wird durch Bau- und Umweltrecht reguliert:
- Vorrang- und Ausschlussgebiete: Gemeinden legen in Flächennutzungsplänen fest, wo Windkraft bevorzugt oder ausgeschlossen wird (§ 35 BauGB).
- Abstandsregelungen: Manche Bundesländer verlangen Mindestabstände zu Wohngebieten (z. B. 1.000 Meter), um Konflikte mit Anwohnern zu minimieren.
- Artenschutz: Standorte müssen sicherstellen, dass geschützte Arten wie Fledermäuse und Greifvögel nicht gefährdet werden (§ 44 BNatSchG).
2.2 Genehmigungsverfahren
Die Genehmigung erfolgt nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG):
- Lärmemissionen: Einhaltung von Grenzwerten nach der TA Lärm (z. B. 45 dB(A) nachts in Wohngebieten).
- Schattenwurf: Zulässig nur bis zu bestimmten Stunden pro Tag und Jahr, meist 30 Minuten pro Tag oder 30 Stunden pro Jahr.
- Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Für größere Windparks oder besonders sensible Standorte ist eine UVP verpflichtend, um Umweltauswirkungen zu bewerten (§ 7 UVPG).
3. Netzanschluss und Einspeisung
3.1 Netzanschluss
- Anspruch auf Netzanschluss: Betreiber haben gemäß § 19 EnWG Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang zum Stromnetz.
- Kostenverteilung: Netzbetreiber tragen die Kosten für den Netzanschluss innerhalb bestimmter Grenzen.
3.2 Einspeisung und Vergütung
- Einspeisevorrang: Strom aus Windenergie hat Vorrang gegenüber konventionellen Energiequellen (§ 8 EEG).
- Vergütungssystem: Betreiber erhalten eine festgelegte Vergütung für eingespeisten Strom oder verkaufen ihn direkt am Markt und erhalten eine Marktprämie (§§ 20–22 EEG).
4. Rückbau und Entsorgung
- Rückbaupflicht: Betreiber sind verpflichtet, nach dem Ende der Nutzung die Anlagen zu entfernen und die Fläche in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen (§ 35 Abs. 5 BauGB).
- Finanzielle Sicherheiten: Viele Bundesländer verlangen eine Sicherheitsleistung, um die Rückbaukosten abzudecken.
5. Rechte und Pflichten
5.1 Rechte
- Betreiberrechte:
- Bau und Betrieb von Anlagen auf genehmigten Flächen.
- Anspruch auf Netzanschluss und Vergütung.
- Anwohnerrechte:
- Schutz vor übermäßigen Immissionen wie Lärm oder Schatten (§§ 906, 1004 BGB).
5.2 Pflichten
- Betreiberpflichten:
- Einhaltung von Emissionsgrenzwerten und Umweltschutzvorgaben.
- Durchführung von Wartungen zur Vermeidung von Störungen.
- Behördenpflichten:
- Sorgfältige Prüfung und Abwägung bei Genehmigungsverfahren.
6. Konfliktfelder
- Abstandsregelungen: Mindestabstände können den Ausbau der Windenergie stark einschränken, führen aber auch zu weniger Konflikten mit Anwohnern.
- Artenschutz: Der Schutz von Greifvögeln und Fledermäusen ist oft ein Hinderungsgrund für Projekte.
- Landschaftsschutz: Windräder verändern das Landschaftsbild und stehen manchmal im Konflikt mit touristischen Interessen.
7. Gerichtliche Entscheidungen
- BVerwG (Az. 4 CN 5/20): Bestätigte die Bedeutung des Artenschutzes und die Pflicht, Vogelschutzzonen in Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.
- EuGH (Az. C-323/17): Ermöglichte Mitgliedstaaten strengere Schutzmaßnahmen als die EU-Mindeststandards.